Das Neuromarketing – eine Forschungsrichtung innerhalb der kognitiven Neurowissenschaft – erforscht, wie das menschliche Gehirn fühlt, entscheidet und das Verhalten von Verbrauchern steuert. Es befasst sich beispielsweise mit der Analyse, was Kunden zum Konsum aktiviert, welche geheimen Wünsche und Bedürfnisse tief in den hintersten Gehirnarealen schlummern und wie man diese Erkenntnisse betriebswirtschaftlich nutzen kann. Ziel des Neuromarketing ist es, das menschliche Gehirn als eine Art Organ der Kaufentscheidung zu begreifen (Ahlert et al., 2004). Die Forschungsergebnisse des Neuromarketings werden in jüngster Zeit immer häufiger besonders im Rahmen von wissenschaftlichen und praktischen Fragestellungen in der Markenführung herangezogen. Dies betrifft z.B. die Gestaltung von Marken und Werbung.

Neue Erkenntnisse der Gehirnforschung

Neue Erkenntnisse in der Gehirnforschung zeigen, dass Informationen elektrochemisch über Schnittstellen, sogenannte Synapsen und Dendriten, von benachbarten Nervenzellen auf bestimmte, für die Information spezifische Bahnen weitergeleitet werden. Die Aktivierung einer Synapse durch einen Informationsvorgang bewirkt eine physiochemische Veränderung und führt zu einer Verstärkung ihrer Verknüpfung zwischen den beiden Nachbarzellen. Die Information hinterlässt hierbei eine Art Gedächtnisspur, d.h. eine bestimmte Bahn im dichten Netzwerk von Nervenzellen. Kommt es zu einer Wiederholung der Information, kann die Spur leichter verarbeitet werden. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Information führt zu noch tieferen Gedächtnisspuren. Ein Erinnern entspricht einem erneuten Durchlaufen der Spur. Die Tiefe der Spuren erklären unterschiedliche Präsenz-/Prägnanzgrade des Wissens (Trommsdorff, 2004).

Neuroimaging – Windows of the Brain

Heutzutage stehen eine Vielzahl von bildgebenden Verfahren (Neuroimaging) – auch Windows of the Brain genannt – wie die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspintomographie), die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), der Positronenemissionstomographie (PET) und der funktionellen transkraniellen Doppler-Sonographie (FTCD) zur Verfügung, um die Struktur, den Aufbau, die Biochemie und die Funktion des Gehirns darzustellen (Birbaumer, Schmidt, 2006). Die Verfahren lassen sich gliedern in strukturelle und funktionelle Bildgebung. Vor allem durch die Kombination dieser Verfahren kann das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale erklärt werden, dass die kognitive Funktionen wie die Verarbeitung von Sprache, Bildern, Tönen sowie das Erleben von Emotionen, etc. ermöglicht.

Entlasten oder aktivieren starke Marken das Gehirn in der Kaufentscheidung?

Mit diesen bildgebenden Methoden (Neuroimaging) und der Hirnforschung wird für viele Marketingexperten die Hoffnung geweckt, dem Konsumenten direkt ins Gehirn zu schauen. Der Vorteil des Neuroimaging gegenüber der klassischen Marktforschung liegt darin, dass dieses Verfahren auch die unbewussten Prozesse beispielsweise in einer Kaufentscheidung abbildet und die Ergebnisse nicht durch unerwünschtes Antwortverhalten verzerrt werden. Ein weiterer Nutzen liegt im Messvorgang selber, da sich die Vorgänge im Moment der Entscheidung analysieren lassen und hierdurch eventuelle Verfälschungstendenzen vermieden werden, die bei Standardbefragungen durch eine zeitliche Verschiebung von Entscheidungs- und Messzeitpunkt entstehen können. Mit Hilfe des Neuroimaging könnte beispielsweise gezeigt werden, ob ein neues Transferprodukt unter einer etablierten Stamm-Marke eine stärkere Reaktion im ventromedialen präfrontalen Kortex (Raab , Unger, 2005) bewirkt, als das selbe Produkt unter einer neuen Marke. Weiterhin lässt sich untersuchen, ob sich die Kaufbereitschaft des Transferproduktes erhöht und damit einhergehend das Muster der Hirnaktivität bei der Wiedererkennung der Stamm-Marke im neuen Transferproduktbereich gefestigt wird. Dieser positive Einfluss der Stamm-Marke müsste also vor allem den präfrontalen Kortex aktivieren, der für höhere kognitive Funktionen zuständig ist. Da der Sitz des positiven Selbstbewusstseins ebenfalls an diesem Ort vermutet wird, müsste diese Gehirnregion zusätzlich aktiviert werden, insbesondere wenn Konsumenten sich stark mit der Stamm-Marke identifizieren oder über die für sie bekannten positiven Eigenschaften und Assoziationen der Stamm-Marke nachdenken.

Andere Forscher werten diese Hirnabbildungen jedoch nicht als Hinweis auf eine erhöhte sondern auf eine reduzierte Aktivität im Vorderhirn puttygen PuTTY SSH Windows , d.h. als Zeichen für eine kortikale Entlastung. Schnabel untersuchte ein Set an Kaffeemarken und stellte fest, dass bekannte Marken den Verstand aussetzen (Schnabel, 2003). Probanden mit einer starken Affinität zu einer Marke zeigten eine verringerte Aktivität in den Bereichen des präfrontalen Kortex, die für rationale Entscheidungen zuständig sind, und eine verstärkte Durchblutung von Arealen, die für die Verbindung von Gefühlen, affektivem Handeln und der Selbstwahrnehmung verantwortlich sind. Diese Aktivierungsmuster zeigten sich in beiden Hirnhälften. Dadurch ließ sich belegen, dass zwischen der Entscheidung für eine starke Marke und der neuronalen Aktivität ein messbarer Zusammenhang besteht.

Implikationen für geplanten Markentransfer

Wichtig bei der Durchführung eines Markentransfers ist es deshalb, ob die Stamm-Marke als eine starke Marke von den Konsumenten wahrgenommen wird, damit es der Stamm-Marke gelingt, Emotionen im Entscheidungsprozess (Kauf des Transferproduktes) einzubinden und beide Gehirnhälften zu aktivieren. In der Untersuchung von Schnabel wurde diesbezüglich festgestellt puttygen , dass bei jeder Person nur jeweils eine Marke im Set der genannten Produktkategorie in der Lage ist, den beschriebenen Effekt auszulösen und den Kaufentscheidungsprozess zu emotionalisieren (Kenning et al., 2005).

Kritisch ist auch zu bewerten, dass nicht feststellbar ist, in welchem Moment Emotionen den Entscheidungsprozess für und gegen eine Marke beeinflussen. Wird beispielsweise durch eine Emotion im Hinblick auf die Stamm-Marke die Wahrnehmung des Transferproduktes positiv oder negativ verändert oder läuft der Prozess andersherum? Einige Wissenschaftler sind der Meinung https://phonefindservice.info , dass in der neuen Forschungsrichtung der kognitiven Neurowissenschaft mehr die Hoffnung als die heutige wissenschaftliche Realität spricht (Rösler, 2004). Nach welchen Grundregeln das Gehirn arbeitet, wie es die Realität widerspiegelt, wie spontane Erlebnisse mit frühere Erlebnisse verknüpft werden und auch wie es zukünftige Handlungen plant, all diese Dinge durchblicken Forscher zur Zeit nicht einmal in Ansätzen. Aktuell ist es nach wie vor nicht möglich, bspw. mit Neuroimaging-Verfahren, wie der Computertomographie, zu identifizieren, was ein Konsument wirklich denkt (Fuchs, 2009). Mit diesem System lässt sich lediglich die Veränderung der Sauerstoffkonzentration im Gehirn und damit der Aktivität einzelner Gehirnbereiche messen (Raab, Unger, 2005). Davon auf Denkinhalte zu schließen ist für viele Forscher illusorisch (Fuchs, 2009).

Fazit

Um zu sicheren Aussagen zu kommen, ist es notwendig, die Funktionen der einzelnen Gehirnbereiche und ihr Zusammenspiel genau zu kennen. Es lassen sich drei verschiedene Gehirnebenen unterscheiden. Bedeutungsvolle Erkenntnisse bei der Erforschung des Gehirns wurden bislang nur auf der obersten und der untersten Ebene erzielt (Birbaumer, Schmidt, 2006). Gesichertes Wissen existiert bis heute nur in groben Ansätzen, wodurch das Erklärungspotenzial für die im Rahmen des Markentransfers ablaufende Prozesse aktuell gering ist. Es muss auch betont werden, dass es sich bei den aktuellen neurowissenschaftlichen Forschungsstudien um Explorationen mit relativ wenigen Probanden handelt, die als nicht repräsentativ eingestuft werden können. Nichtsdestotrotz bilden die Methoden und Forschungsergebnisse der kognitiven Neurowissenschaften eine erste gute Ergänzung zu den klassischen Verfahren der Konsumentenforschung. Aufgrund der rasanten Entwicklung in diesem Forschungsgebiet werden zukünftig für das Markenmanagement aber vertiefende Erkenntnisse und wichtige Impulse zu erwarten sein.

Autor: Dr. Stefanie Rennert